Minarette und Minenfelder

Wenn man Abends vom Muezzin in den Schlaf gesungen wird, fühlt sich das an, wie ganz weit weg. Und irgendwie ist das auch so, in einem Land, von dem man so wenig weiß, wie wir von Bosnien und Herzegowina. Den stärksten Eindruck haben wohl die Kriegsjahre hinterlassen. Dann erinnere ich mich dunkel an Olympische Spiele mit einem Wolf als Maskottchen, der Sarajevo-o-o-o-o-o-o knödelte.

Sehr präsent ist mir dagegen mein Interview mit Martin Auracher, dem Vorsitzenden des DEMIRA e.V. (Deutsche Minenräumer e.V.), und seine eindrückliche Warnung davor, in Bosnien Herzegowina die befestigten Wege zu verlassen. Geschätzte 30.000 Minenfelder, von denen 10.000 nicht kartiert sind, ist ein Wort. In diesem Land, so sagte er mir, habe er in all den Jahren nie ein Gefühl dafür entwickelt, wo es sicher sei und wo nicht. Diese Worte nehmen wir sehr Ernst und verzichten darauf, wild zu Campen – auch wenn die Landschaft stellenweise geradezu danach schreit.

 

Ein Blick in den Reiseführer sorgt ebenfalls für Ratlosigkeit. Bosnien und Herzegowina gliedert sich in zwei Landesteile, die Serbische Republik und die Föderation Bosnien und Herzegowina, wie sich wiederum aus zehn Kantonen zusammensetzt, lernen wir. Dann gibt es drei Regierungen, sechs Präsidenten, die sich teilweise auch noch in einem rotierenden System abwechseln, 13 Erziehungs- und Sozialministerien... Wer soll denn da durchblicken? Wir sind gespannt auf dieses Land.

 

Wir fahren bei Bihać, nahe der Plizwitzer Seen, über die Grenze und lernen schnell: In Bosnien ist es verboten, Pistolen mit in den Supermarkt zu nehmen. Was außerdem sofort ins Auge sticht, sind Einschusslöcher in den Häusern, die wir allerdings auch auf der kroatischen Seite schon gesehen haben, und haufenweise Minarette, die fast wie Raketen aus den Dörfern ragen. Ansonsten ist die Gegend einsam. Sie erinnert ein wenig an die Schwäbische Alb, nur weitläufiger und mit viel mehr Dolinen – so vielen, dass die Landschaft stellenweise an ein Autodach nach Hagelschaden denken lässt.

 

Langsam zockeln wir weiter 'gen Osten. Die Landschaft wird bergiger. Wir besichtigen das kleine Städtchen Jajice mit seiner Festungsruine und einer Gruftkirche. Die Altstadt ist schnucklig, allerdings sehr zerfallen, so dass wir uns fragen, wie der Autor unseres Reiseführers auf die Idee kommt, sie stünde kurz vor dem Eintrag auf die UNESCO-Liste...

 

Weiter geht es nach Travnik mit seiner bunten Moschee und nach Visoko, einem lebhaften Kleinstädtchen, in dessen Umgebung der Hobbyarchäologe Semir Osmanagic 2006 Pyramiden entdeckt haben will. Wir stehen achselzuckend vor der „Mondpyramide“, sehen wir doch nur einen Hügel, der vielleicht ein kleines bisschen spitzer zuläuft als die umliegenden. Naja, da tendieren wir doch zur Haltung der Fachwelt, die die „Pyramiden“ für natürliche Erhebungen hält. Immerhin beschert uns der kleine Abstecher einen ruhigen Platz für die Nacht, bevor wir am nächsten Morgen nach Sarajevo fahren.

 

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