Circo Soluna

Es sind die kleinen Überraschungen und die spontanen Entscheidungen, die uns auf Reisen die besten Erlebnisse bescheren. Wenn man etwa nach links abbiegt, statt wie geplant nach rechts. In unserem Fall war es der Wegweiser zu einem Käseverkauf, der uns von der geplanten Route abweichen lässt, gefolgt von der Entdeckung, dass es eine Nebenstrecke von Kranjska Gora nach Tolmin gibt, von der unsere nichtsnutzige Straßenkarte mal wieder nichts weiß...

Als erster Vorbote auf das, was wir in den nächsten Tagen erleben sollten, kommt uns am Ortseingang eines winzgen Nestes ein Junge auf einem Einrad entgegen. Kurz darauf sehen wir ein Hinweisschild auf eine Zirkusvorführung, denken aber eher an ein Schul- oder Jugendprojekt.

Schließlich, ja das ganze Drumrum muss so ausführlich erzählt werden, kommt uns ein Pferdewagen entgegen. Was wir aus der Ferne erstmal für eine Touri-Kutsche halten, entpuppt sich beim Näherkommen als höchst eigenwilliges Reisegefährt: Hinter dem Pferdewagen hängt noch ein kleinerer Wagen für die Ziegen, schräg über dem Kutscher thront ein Hahn und äugt zu uns herüber. Wir halten an und erfahren, dass der Kutscher Jost heißt und vor einiger Zeit vom Düdo auf zwei PS umgestiegen ist. Zusammen mit seiner Freundin Erika befindet er sich auf dem Weg zum Zirkus. Die Vorstellung am nächsten Tag dürfen wir auf keinen Fall verpassen, beschwört uns Jost. Wir müssen nicht lange überlegen, verschieben die Weiterfahrt und legen erstmal einen Wasch- und Duschtag ein.

 

Ausflug in eine längst vergangene Zeit

Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zur Vorstellung und trauen unseren Augen kaum: Noch mehr Pferdewagen, davor ist eine winzige Freiluftmanege aufgebaut. Ein Trapez ist auf dem Wagendach befestigt, ein knallgelbes Klavier wird auf einer Schiene seitlich herausgezogen. Rundherum grasen Ziegen, Pferde und ein Schaf mit Lämmchen, Hühner gackern, ein Perlhuhn stakst durch die Szenerie, Enten und Gänse schnattern.... Über all dem tönt Zirkusmusik. Wir fühlen uns wie in eine längst vergangene Zeit katapultiert.

 

Schnell füllt sich die kleine Tribüne, man könnte meinen, das ganze Dorf ist zur Vorstellung gekommen, und wahrscheinlich ist es auch so. Die Stimmung ist großartig, das Publikum gröhlt vor Lachen und schreit Kommentare in die Manege (Wer hätte gedacht, dass Slowenen so aus sich rausgehen können???), die Vorstellung originell und fast schon ein bisschen verrückt. Wir sind begeistert!

 

Die Freiluftmanege wird abgebaut - bei der Vorstellung darf leider nicht fotografiert werden
Die Freiluftmanege wird abgebaut - bei der Vorstellung darf leider nicht fotografiert werden

Nach der Vorstellung kommt ein Mann mit langen grauen Dreads auf uns zu, quasi der Zirkusdirektor, und lädt uns ein, doch zum Abendessen zu bleiben. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen!

 

Der Grauhaarige heißt Stephan, kommt aus Deutschland und ist seit 29 Jahren mit seinem Minizirkus unterwegs – davon 23 mit Pferdewagen! Gemeinsam mit Petra hat er sechs Kinder im Zirkus großgezogen, der Jüngste ist 16 und noch mit dabei. Die zweitälteste Tochter ist derzeit zu Besuch. Sonst gehören momentan ein Schweizer, ein Italiener und drei Ungarn zur Truppe.

 

Wir bleiben noch ein paar Tage beim Zirkus, ziehen mit zum nächsten Spielort und tauchen in eine völlig andere Welt ein. Gekocht wird ausschließlich an der Feuerstelle, wir lernen wie Petra aus der Abendmilch köstlichen Ziegenfrischkäse macht. Lo1 geht ganz selbstverständlich mit zum Wasserholen und freut sich, dass sie helfen darf. Morgens ist sie die erste die den Bus verlässt und zum Zirkus rüberläuft und will gar nicht mehr weg. Klar, dass ihr ihr bisheriger Berufswunsch "Kinderärztin" plötzlich wenig attraktiv erscheint. Lo2 fühlt sich mindestens genauso wohl, robbt quitschend vor Vergnügen herum und riecht abends ein wenig nach Ziegenmist.

 

Lo2 sitzt am Feuer, als hätte er nie woanders gesessen...
Lo2 sitzt am Feuer, als hätte er nie woanders gesessen...

Wir erfahren noch viel übers Zirkusleben: Dass es in Ungarn am unkompliziertesten ist, einen Lagerplatz zu finden. Dass die Vorstellungen in Süditalien immer eine Stunde später anfangen als angekündigt, das Publikum dafür aber richtig mitgeht. Dass es noch nie eine Situation gab, die ernsthaft an Aufhören denken ließ. Dass Stephan und Petra weder Handys noch Internet nutzen (die jüngeren Zirkusmithlieder schon). Dass die gesamte Truppe im Monat keine 1000 Euro zum Leben braucht... Alle wirken zufireden, obwohl es bestimmt nicht immer nur einfach und lustig ist.

 

Irgendwann machen wir uns doch auf den Weg weiter in den Süden – sehr zum Ärger unserer Großen ("Manno, warum müssen wir denn immer weiter und können wir nicht einfach mal wo bleiben?"), aber mit dem Versprechen uns auf unserem Rückweg nochmals zu treffen. Dann im Winterquartier. Wo das sein wird, weiß derzeit noch niemand. Wir werden es über den ältesten Sohn erfahren, wenn es soweit ist...

 

Team Ferdinand
Eine Familie unterwegs im Oldtimer-Bus

Aktuell!

Team Ferdinand ist nur noch zu dritt unterwegs: Stephan ist von Bari aus nach Deutschland geflogen - für Steffi und die LoLos geht die Reise weiter!

 

 

 

 

 

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