"Aber wir sind ja am Karneval nicht in Köln!" - dieses Detail unserer Reiseplanung scheint Lo1 mehr zu beschäftigen als die Tatsache, dass wir auch an Nikolaus und Weihnachten nicht zu Hause sind. Denn von Nikolaus und Christkind kann man irgendwie erwarten, dass sie uns überall finden (OK, ein bisschen nervös, ob das wirklich klappt war sie natürlich schon). Aber Karneval. Den gibt es doch nur zu Hause, oder?
Doch es sollte mal wieder alles gut ausgehen. Eine Freundin von uns hat kalabrische Wurzeln. Sie recherchiert ein wenig bei Familie und Bekannten und schnell wird klar: Da geht was! Karneval muss für uns nicht ausfallen!
Herausforderung Nummer Zwei: Wir müssen uns irgendwie verkleiden. Ich hab zwar wirklichlich fast für alle Eventualitäten gepackt und sogar die Säckchen für den Adventskalender im Bus verstaut. Aber Karnevalskostüme? Wir nutzen also einen regnerisch-kalten Nachmittag und basteln Pappnasen. Zusammen mit Kinderstrumpfhosen auf dem Kopf sollten die als Verkleidung durchgehen. Lo1 ist jedenfalls sehr zufrieden. Lo2 will keine Pappnase aufsetzen, also muss in seinem Fall die Strumpfhosenmütze reichen. Und mir ist gerade alles recht, was die Kinder glücklich macht.
Bestens gewappnet geht es los zum ersten Event, dem großen Umzug in Putignano. Hier in der Karnevalshochburg des Mezzogiorno wird seit 1398 Karneval gefeiert. Also gerade gut genug für uns drei Jecke vom Rhing. Etwas ungewöhnlich ist für uns, dass wir Eintrittskarten für das Spektakel kaufen müssen. Aber dafür stehen wir dann ganz entspannt mit Buggy an der Strecke und können alles sehen. Kölsch gibt es natürlich keines, Kamelle auch nicht. Dafür jede Menge Konfetti und wirklich beeindruckende Wagen, deren kunstvolle Aufbauten sich in alle Richtungen bewegen. Und unsere Pappnasen-Kinderstrumpfhosen-Verkleidung kommt auch allgemein gut an. Aber vielleicht fallen wir auch einfach nur auf, denn mit Kostümen sind die Apulier eher zurückhaltend.
Wir sind angefixt und wollen mehr. Daher fahren wir in die Basilikata, wo es die eine oder andere recht urtümliche Karnevalstradition gibt. Wir steuern das kleine Städtchen Montescaglioso an, wo am Karnevalsdienstag einiges los sein soll. Da wir über's Internet nichts Genaues über Ablauf und Urzeiten erfahren, oder was überhaupt los sein soll, fahren wir bereits zeitig am Vormittag hin. Und zumindest theoretisch hatten wir damit den richtigen Riecher. Denn, wie uns ein deutschsprechender Mann erzählt, normalerweise laufen am Faschingsdienstag jede Menge Verkleidete durch die Stadt und sammeln sich dann auf dem Hauptplatz. Doch leider macht das Wetter nicht mit. Es regnet fast ohne Unterlass, und Regen und Papierkostüme vertragen sich nunmal nicht.
Etwas entmutigt treten wir doch noch die Runde durchs Örtchen an, um uns wenigstens umzusehen und ein wenig einzukaufen. Und das ist gut so, denn auf ein paar Unerschrockene, die vom Mistwetter nicht den Karneval verderben lassen treffen wir dann doch... Lo1 will, nachdem wir die ersten Verkleideten gesehen haben, sofort zum Bus zurück, um auch ein Papierkostüm zu basteln: "Ich will ja nicht nur schauen, ich will mitfeiern!"
Meistens sind es Kinder, die von den Passanten Süßigkeiten und Geld bekommen (Sogar Lo1 bekommt das eine oder andere Bonbon zugesteckt – ganz ohne Verkleidung). Einige haben sogar Tiere dabei, wie es die Tradition will. Und ganz besonders beeindruckt hat uns ein Wagen voll junger Männer mit Musik, Ziegen und einem vermutlich traditionellen Kreiselspiel...
Irgendwann wird es uns aber doch zu nass und zu kalt. Wir entscheiden uns nicht mehr abzuwarten, was hier am Abend noch passieren soll, und verlassen die Berge in Richtung Meer, um endlich mal nachts nicht mehr alle Decken ist Bett packen zu müssen.
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