Meine Liebeserklärung an Essaouira

Obergeschoss mit Möwen

"Ich hab Dir ein Zimmer mit Dachterrasse besorgt," sagt Tibari. Der schmale junge Marokkaner mit wuscheligem Lockenkopf strahlt, weil er dem Besuch aus Deutschland etwas Besonderes bieten kann. Als Kind dieser Stadt weiß er: Die wahre Schönheit Essaouiras lässt sich am besten von der obersten Etage erfassen. Denn hier hat man nicht nur den besten Blick über die ineinander geschachtelten Häuser, Türme und Tore der weißen Schönen an Marokkos Atlantikküste und erspäht mit etwas Glück das Meer. Hier kann sich der müde Besucher für einige Stunden dem Trubel der Souks entziehen, den Bildern und Gerüchen der engen, verwinkelten Gassen und so die Sinne reinigen für den nächsten Spaziergang, um wieder aufnahmefähig zu sein für neue Eindrücke und Begegnungen.

Über den Dächern der Stadt fühlt man sich auch den Möwen näher, die zu Essaouira gehören wie klebrige Süßigkeiten zum Orient. Wie dicke Katzen hocken sie zur Abendstunde auf Mauern, Hausdächern und Minaretten und erfüllen mit ihrem Kreischen die laue Luft. "Sie rufen den Wind", sagt Tibari und späht über die Balustrade um zu sehen, ob sich das Meer schon zu kräuseln beginnt.

 

Möven, Hippies und ein kühles Bier

Essaouira ist die Stadt des Windes, des Meeres und der Möwen. Aber auch Stadt der Musiker, Künstler und Schriftsteller, der Hippies und der Intellektuellen. Und heute vermehrt der Surfer aus aller Welt, die – egal ob sie Wind oder Wellen suchen – hier ideale Bedingungen für ihren Sport finden. Die Medina, ist Weltkulturerbe, und für so manchen Wüstenreisenden wird Essaouiras Strandpromenade zum Garten Eden, wo nach vielen Wochen des süßen Tees endlich mal wieder ein kühles Blondes zum Sonnenuntergang serviert wird – ohne dass er sich dafür dem Massentourismus Agadirs aussetzen muss.  

Essaouira hat irgendwie von allem etwas zu bieten und ist dabei soviel ruhiger und entspannter als Marrakesch, glänzt durch Coolness und eine weltoffene Atmosphäre, wie man sie hier in Marokko kaum zu suchen wagt. Und doch bleiben Stadt und Bewohner sich selbst und ihrer Tradition treu; vielleicht weil Veränderung zur Geschichte Essaouiras gehört. Lange vor den Hippies und Künstlern waren die Phönizier da, die Gründer der Stadt, dann die Punier, die Römer und viel später die Portugiesen. Und jetzt prägen eben auch braungebrannte Sportler, rötliche-blasse Tagestouristen und partybegeisterte Rucksackreisende das Bild der Stadt ­– genau wie es Meer und Wind mit beharrlicher Beständigkeit tun, die den bröckelig-weißen Mauern der Medina ihren Stempel aufdrücken, die morbide Patina des Zerfalls.

Zahn der Zeit

Überall nagt der Zahn der Zeit an den Häusern der Altstadt, besonders deutlich zu sehen in der Mellah, dem ehemaligen Judenviertel. Ganze Straßenzüge wurden hier abgerissen, jetzt wird eifrig wieder aufgebaut und renoviert. Ein komplettes Viertel ist so zu einer riesigen Baustelle mutiert, doch darf man sich schon auf das Ergebnis freuen: ein neues Stück altes Essaouira.

 

Tibari – drahtige Muskeln vom Surfen, stylishe Sonnenbrille im Haar, Farbe an den Händen – gehört zur neuen Generation in dieser Stadt. Er ist Künstler und Surfer, verbindet so Tradition und Moderne aufs Feinste. Wellen fürs Hobby findet er genügend. Für ein Atelier reichen die Finanzen momentan nicht aus. Er lebt von Gelegenheitsjobs, kümmert sich um die Gestaltung von Hotels und Gästehäusern.

 

Essaouira ist teuer geworden. Noch leben hier viele alteingesessene Familien, doch die Preise für Immobilien sind derart gestiegen, dass sich Häuser in der Altstadt eigentlich nur noch an Ausländer verkaufen lassen. Dass die Medina mehr und mehr in die Händen von Europäern gelangt, stört den 34jährigen nicht – zumindest so lange sie nicht über die marokkanische Lebensart zetern. Schließlich tragen sie mit Arbeitseinsatz und Euros dazu bei, dass die Schönheit erhalten bleibt. Und wer dann Essaouira Essaouira sein lässt und die Marokkaner Marokkaner, der ist dem jungen Mann herzlich willkommen. Französisch spricht er fließend, Englisch und Spanisch ausreichend gut, um sich mit Gästen aus aller Herren Länder über das Leben auszutauschen. Wer ihm  sympathisch ist, den nimmt er gerne mit zu einem Rundgang durch seine Stadt.

Zielsicher geht er durch die verwinkelten Gassen, wählt mit schlafwandlerischer Sicherheit die richtigen Abzweigungen und Untertunnelungen, von denen eine sogar unter einer Moschee durchführt. Das Zickzack führt vorbei an blauen Türen, viele mit bunten Fliesen umrandet. Ab und an steht eine offen und gibt den Blick frei auf einen schattigen, mit Ornamenten geschmückten Innenhof, wo schon mal ein Fernseher läuft. Hier wird gelebt, und die Flimmerkiste steht im Zentrum des marokkanischen Familienalltags wie der Innenhof in den altehrwürdigen Häusern.

 

Zuhause im Labyrinth

Wenige Meter von den Souvenirläden entfernt, trifft man hier nur noch auf vereinzelte Touristen. Dafür auf das echte Leben, junge und alte Männer, verschleierte und westlich gekleidete Frauen, jede Menge Kinder und Katzen, öffentliche Brunnen, versteckte Schulen, ursprüngliche Werkstätten und winzige Läden, in denen es irgendwie alles zu kaufen gibt. Und auf einen kleinen Platz mit noch kleineren Restaurants. Sie bieten nur wenigen Gästen Platz, dafür aber für kleines Geld einfache Speisen, etwa köstliche Linsengerichte, die durch Zartheit und exotische Gewürze bestechen und leider viel zu selten Bekanntschaft mit den Gaumen der Besucher Essaouiras machen. Tibari grüßt bald links bald rechts, plaudert mit Handwerkern und entgegenkommenden Passanten. Er scheint hier jeden zu kennen – kein Wunder eigentlich, die Altstadt ist überschaubar. Und bald erkennt man auch als Besucher Plätze und Hausecken wieder, glaubt auf bekannte Gesichter zu treffen und beginnt erst zaghaft, dann immer selbstbewusster zu grüßen. Dann ist man angekommen in der Stadt des Windes und der Möwen. Und weiß, man wird wiederkehren – zumindest, wenn man ein Zimmer mit Dachterrasse hat.

Team Ferdinand
Eine Familie unterwegs im Oldtimer-Bus

Aktuell!

Team Ferdinand ist nur noch zu dritt unterwegs: Stephan ist von Bari aus nach Deutschland geflogen - für Steffi und die LoLos geht die Reise weiter!

 

 

 

 

 

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